Sie schrieben rmr-Geschichte - Vorsitzende dreier Jahrzehnte im Gespräch
Es war ein wahrhaft historisches Treffen im Wiesbadener Kurhaus. Anlässlich des Jubiläumsjahrs "60 Jahre BME Rhein-Main-Region" setzten sich die vier ehemaligen rmr-Spitzen Armin Heimann (Vorstandsvorsitzender 1999-2007), Hans A. Strasdowski (1996-1999), Hans Schaeuffelen (1981-1990) und Ulrich Fricke (1977-1981) an einen Tisch, um gemeinsam in Erinnerungen zu schwelgen. Dank ihrer großen Lebenserfahrung und dem Abstand zum Tages- und Verbandsgeschäft brauchten sie kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen, wenn es darum ging, über ihre Erfahrungen zu sprechen oder Kritik an aktuellen Entwicklungen zu äußern. Mindestens ebenso interessant waren die vielen humorvollen Anekdoten, aus denen jüngere Einkäufer bestimmt noch lernen können. Beispielsweise, warum es sich auszahlen kann, schlecht Tennis zu spielen.
"Ich arbeitete damals für die Polstermöbelwerke Bretz und war für die Beschaffung der Bezugsmaterialien in aller Welt zuständig", berichtete Hans A. Strasdowski. Irgendwann seien dann Wasserbüffelleder in Mode gekommen. Für ihn hieß das, alle acht Wochen nach Thailand zu reisen, denn dort gab es die einzigen Wasserbüffelarten, deren Haut sich für die Herstellung von Polstermöbeln eignete. Mit der Zeit hatte er den Dreh mit den besten Preisen für die beste Ware heraus, die er in drei goldene Regeln zusammenfasste: Deutschen Wein mitnehmen, Nudeln essen mit den Frauen der Gerber, und beim Tennis spielen immer verlieren. "Das war Pflicht, erst dann hat man vernünftige Preise bekommen", erzählte er lachend.
Trotz ihres mittlerweile reifen Alters sind die Herren ganz und gar nicht von gestern. Die Kommunikation über E-Mail nutzen sie alle. Trotzdem nehmen sie für sich das Recht in Anspruch, nicht von allen modernen Entwicklungen begeistert zu sein. "Heute geht es nicht mehr ohne", fand Armin Heimann. "Das ist schon richtig, aber dieser Wust an Informationen überfordert viele", ergänzte Ulrich Fricke, und brachte es auf den Punkt: "Man schickt heute alles an den gesamten Verteiler - irgendeinen wird's schon interessieren." Mit der Schreibmaschine gab's früher maximal fünf Durchschläge, so Hans Schaeuffelen: "Da konnte man gar nicht so viele Kopien verschicken."
Heute werde auf eine ganz andere Art und Weise gearbeitet. Früher habe es Sekretärinnen gegeben. Die Frage "Wer schreibt denn für mich?" würde in der heutigen Zeit aber garantiert keiner mehr stellen. Apropos Sekretärinnen: In besonderer Erinnerung ist Marlies Gittrich geblieben. "Die Seele des Geschäfts", urteilte Strasdowski. "Sie hat viele Jahre auf der Geschäftsstelle gearbeitet", erklärte Armin Heimann. Und ergänzte anerkennend: "Nein, sie war die Geschäftsstelle." Heute sei, vor allem durch die digitalen Medien, vieles entpersönlicht. Das Menschliche, für das Personen wie Gittrich standen, sei dabei oftmals verlorengegangen.
Schöne Erinnerungen, doch das Kapitel BME ist weitgehend abgeschlossen
An den BME denken sie gerne, auch wenn sie heute andere Interessen haben. "Ich bin schon so lange raus", berichtete Ulrich Fricke. Jüngst ist er wieder zum BME-Symposium in Berlin eingeladen worden. Ob er hingeht, hat er noch nicht entschieden. "Wenn, dann nur, wenn ich während der Reden spazieren gehen darf", erklärt er lachend. Auch Hans Schaeuffelen hat schöne Erinnerungen an den Verband: "Ich habe dem BME viel zu verdanken. Aber ich bin seit 29 Jahren nicht mehr im Geschäft, das interessiert mich nicht mehr." Vielleicht hat dazu auch der Lauf der Dinge beigetragen. Hans Schaeuffelen arbeitete bei Messer Griesheim, Ulrich Fricke für die Hoechst AG, Hans A. Strasdowski für AEG. Die Unternehmen sind mittlerweile alle passé, die ESWE Versorgungsbetriebe nicht. "Meins gibt's noch. Na, für wen spricht das?" fragte Heimann lächelnd in die Runde.
Teile der in die Geschichte eingegangenen Unternehmen gibt es natürlich heute noch, und an manchen Entwicklungen hatten die vier Herren erheblichen Anteil. Ulrich Fricke beispielsweise war im Management der Infraserv GmbH, die im Zuge des Umbaus des Hoechst-Konzerns gegründet wurde. "Wir haben das damals innerhalb von zehn Monaten mit McKinsey zusammen gestemmt." Die Benennung sei ein Kapitel für sich gewesen: "Ich weiß noch genau, wie 15 junge Frauen und Männer eine Stunde lang Namen durch die Gegend geschmissen haben - am Ende kam Infraserv heraus." Es sei eine tolle Zeit gewesen, und Infraserv gehe es heute blendend.
Im Rückblick werden Dinge oftmals anders bewertet als in der Gegenwart. Dass die Zerschlagung des Hoechst-Konzerns nicht sinnvoll war, darin waren sich alle vier einig. Auch Armin Heimann blickt kritisch auf manche Entwicklung zurück: "Das war damals eine große Sache, als es hieß: Der Energiemarkt wird liberalisiert." Prognostiziert wurde ein großes Stadtwerke-Sterben. Das habe dazu geführt, dass viele Kommunen versuchten, ihre Beteiligungen abzustoßen. "Heute ist die dezentrale Energieversorgung wieder in, viele Stadtväter bereuen längst ihre voreiligen Entscheidungen von damals."
Einkauf unter anderen Vorzeichen
Zurück zum BME rmr. "Die Namensfindung war schwierig", erklärte Ulrich Fricke. Hans A. Strasdowski: "So einen berufsspezifischen Zusammenschluss gab es damals schließlich noch nicht." Vielleicht ist das ein Grund, warum der Regionalverband, der am 22. Mai 1953 als "Erfa-Gruppe Industrieller Einkauf" das Licht der Welt erblickte, mehrere Umbenennungen hinter sich hat. In den ersten Jahren tagte man regelmäßig in der Jahrhunderthalle und knüpfte Kontakte, die teilweise heute noch bestehen, ohne dass man das damals schon "Networking" nannte.
Hans Schaeuffelen stieß über Umwege dazu: "Ich bin ja Techniker. Ich war damals nur zum Einkauf gekommen, weil ich Kritik am bestehenden Einkauf geübt habe. Ich war erst Leiter der Schweißtechnik bei Messer Griesheim, erst später habe ich den Posten des Einkaufsleiters übernommen." Auch während und nach der Wende zeigte sich der BME fortschrittlich. "Damals sind wir mit dem Bus nach Jena gefahren", erinnerte sich Hans A. Strasdowski. "Wir haben viel gemacht und zahlreiche Vorträge gehalten. Die Wende gehört zu meinen größten Erlebnissen", ergänzte Hans Schaeuffelen. Ulrich Fricke stellte einen entscheidenden Unterschied in puncto Einkauf heraus: "Sie mussten damals nicht einkaufen wie wir, sondern beschaffen." Bei den Jüngeren seien diese Entbehrungen, obwohl sie erst gut zwei Jahrzehnte her sind, meist nicht mehr präsent.
Entwicklung bei Großprojekten war absehbar
Die Großprojekte, über die derzeit in den Medien berichtet wird, beurteilten die ehemaligen Vorstände kritisch. "Billig reinkommen und nach Auftragsvergabe nachverhandeln", das sei Hans A. Strasdowski zufolge schon seit jeher der "große Trick" gewesen. Das europäische Vergaberecht habe viele Fortschritte gebracht, da man die Anforderungen genau spezifizieren könne, warf Armin Heimann ein. "Dann spezifizieren sie mal den Berliner Flughafen", konterte Hans Schaeuffelen. Die Fehler seien, und das ist nicht wörtlich zu verstehen, im Vorfeld gemacht worden, so Armin Heimann. Das Verfahren kenne man übrigens auch vom Terminal 2 des Frankfurter Flughafens: "Die haben den Begriff der baubegleitenden Planung damals erfunden", erklärte er lachend. "Man muss eben nur das richtige Wort finden", ergänzte Ulrich Fricke. Auf einen guten Ratschlag konnten sie sich jedenfalls einigen: "Der Bauherr erhält Baustellenverbot."
Letzte Frage: Was zeichnet denn nun einen Einkäufer genau aus? "Ihr Markenzeichen ist, dass sie gute Zuhörer sind", fand Hans A. Strasdowski. "Einkäufer sind nicht die kommunikativsten Menschen, im Gegensatz zu den Marketing-Experten", antwortete Ulrich Fricke. Grundsätzlich mag er Recht haben, aber für das Treffen im Kurhaus galt das auf keinen Fall.
"Ich arbeitete damals für die Polstermöbelwerke Bretz und war für die Beschaffung der Bezugsmaterialien in aller Welt zuständig", berichtete Hans A. Strasdowski. Irgendwann seien dann Wasserbüffelleder in Mode gekommen. Für ihn hieß das, alle acht Wochen nach Thailand zu reisen, denn dort gab es die einzigen Wasserbüffelarten, deren Haut sich für die Herstellung von Polstermöbeln eignete. Mit der Zeit hatte er den Dreh mit den besten Preisen für die beste Ware heraus, die er in drei goldene Regeln zusammenfasste: Deutschen Wein mitnehmen, Nudeln essen mit den Frauen der Gerber, und beim Tennis spielen immer verlieren. "Das war Pflicht, erst dann hat man vernünftige Preise bekommen", erzählte er lachend.
Trotz ihres mittlerweile reifen Alters sind die Herren ganz und gar nicht von gestern. Die Kommunikation über E-Mail nutzen sie alle. Trotzdem nehmen sie für sich das Recht in Anspruch, nicht von allen modernen Entwicklungen begeistert zu sein. "Heute geht es nicht mehr ohne", fand Armin Heimann. "Das ist schon richtig, aber dieser Wust an Informationen überfordert viele", ergänzte Ulrich Fricke, und brachte es auf den Punkt: "Man schickt heute alles an den gesamten Verteiler - irgendeinen wird's schon interessieren." Mit der Schreibmaschine gab's früher maximal fünf Durchschläge, so Hans Schaeuffelen: "Da konnte man gar nicht so viele Kopien verschicken."
Heute werde auf eine ganz andere Art und Weise gearbeitet. Früher habe es Sekretärinnen gegeben. Die Frage "Wer schreibt denn für mich?" würde in der heutigen Zeit aber garantiert keiner mehr stellen. Apropos Sekretärinnen: In besonderer Erinnerung ist Marlies Gittrich geblieben. "Die Seele des Geschäfts", urteilte Strasdowski. "Sie hat viele Jahre auf der Geschäftsstelle gearbeitet", erklärte Armin Heimann. Und ergänzte anerkennend: "Nein, sie war die Geschäftsstelle." Heute sei, vor allem durch die digitalen Medien, vieles entpersönlicht. Das Menschliche, für das Personen wie Gittrich standen, sei dabei oftmals verlorengegangen.
Schöne Erinnerungen, doch das Kapitel BME ist weitgehend abgeschlossen
An den BME denken sie gerne, auch wenn sie heute andere Interessen haben. "Ich bin schon so lange raus", berichtete Ulrich Fricke. Jüngst ist er wieder zum BME-Symposium in Berlin eingeladen worden. Ob er hingeht, hat er noch nicht entschieden. "Wenn, dann nur, wenn ich während der Reden spazieren gehen darf", erklärt er lachend. Auch Hans Schaeuffelen hat schöne Erinnerungen an den Verband: "Ich habe dem BME viel zu verdanken. Aber ich bin seit 29 Jahren nicht mehr im Geschäft, das interessiert mich nicht mehr." Vielleicht hat dazu auch der Lauf der Dinge beigetragen. Hans Schaeuffelen arbeitete bei Messer Griesheim, Ulrich Fricke für die Hoechst AG, Hans A. Strasdowski für AEG. Die Unternehmen sind mittlerweile alle passé, die ESWE Versorgungsbetriebe nicht. "Meins gibt's noch. Na, für wen spricht das?" fragte Heimann lächelnd in die Runde.
Teile der in die Geschichte eingegangenen Unternehmen gibt es natürlich heute noch, und an manchen Entwicklungen hatten die vier Herren erheblichen Anteil. Ulrich Fricke beispielsweise war im Management der Infraserv GmbH, die im Zuge des Umbaus des Hoechst-Konzerns gegründet wurde. "Wir haben das damals innerhalb von zehn Monaten mit McKinsey zusammen gestemmt." Die Benennung sei ein Kapitel für sich gewesen: "Ich weiß noch genau, wie 15 junge Frauen und Männer eine Stunde lang Namen durch die Gegend geschmissen haben - am Ende kam Infraserv heraus." Es sei eine tolle Zeit gewesen, und Infraserv gehe es heute blendend.
Im Rückblick werden Dinge oftmals anders bewertet als in der Gegenwart. Dass die Zerschlagung des Hoechst-Konzerns nicht sinnvoll war, darin waren sich alle vier einig. Auch Armin Heimann blickt kritisch auf manche Entwicklung zurück: "Das war damals eine große Sache, als es hieß: Der Energiemarkt wird liberalisiert." Prognostiziert wurde ein großes Stadtwerke-Sterben. Das habe dazu geführt, dass viele Kommunen versuchten, ihre Beteiligungen abzustoßen. "Heute ist die dezentrale Energieversorgung wieder in, viele Stadtväter bereuen längst ihre voreiligen Entscheidungen von damals."
Einkauf unter anderen Vorzeichen
Zurück zum BME rmr. "Die Namensfindung war schwierig", erklärte Ulrich Fricke. Hans A. Strasdowski: "So einen berufsspezifischen Zusammenschluss gab es damals schließlich noch nicht." Vielleicht ist das ein Grund, warum der Regionalverband, der am 22. Mai 1953 als "Erfa-Gruppe Industrieller Einkauf" das Licht der Welt erblickte, mehrere Umbenennungen hinter sich hat. In den ersten Jahren tagte man regelmäßig in der Jahrhunderthalle und knüpfte Kontakte, die teilweise heute noch bestehen, ohne dass man das damals schon "Networking" nannte.
Hans Schaeuffelen stieß über Umwege dazu: "Ich bin ja Techniker. Ich war damals nur zum Einkauf gekommen, weil ich Kritik am bestehenden Einkauf geübt habe. Ich war erst Leiter der Schweißtechnik bei Messer Griesheim, erst später habe ich den Posten des Einkaufsleiters übernommen." Auch während und nach der Wende zeigte sich der BME fortschrittlich. "Damals sind wir mit dem Bus nach Jena gefahren", erinnerte sich Hans A. Strasdowski. "Wir haben viel gemacht und zahlreiche Vorträge gehalten. Die Wende gehört zu meinen größten Erlebnissen", ergänzte Hans Schaeuffelen. Ulrich Fricke stellte einen entscheidenden Unterschied in puncto Einkauf heraus: "Sie mussten damals nicht einkaufen wie wir, sondern beschaffen." Bei den Jüngeren seien diese Entbehrungen, obwohl sie erst gut zwei Jahrzehnte her sind, meist nicht mehr präsent.
Entwicklung bei Großprojekten war absehbar
Die Großprojekte, über die derzeit in den Medien berichtet wird, beurteilten die ehemaligen Vorstände kritisch. "Billig reinkommen und nach Auftragsvergabe nachverhandeln", das sei Hans A. Strasdowski zufolge schon seit jeher der "große Trick" gewesen. Das europäische Vergaberecht habe viele Fortschritte gebracht, da man die Anforderungen genau spezifizieren könne, warf Armin Heimann ein. "Dann spezifizieren sie mal den Berliner Flughafen", konterte Hans Schaeuffelen. Die Fehler seien, und das ist nicht wörtlich zu verstehen, im Vorfeld gemacht worden, so Armin Heimann. Das Verfahren kenne man übrigens auch vom Terminal 2 des Frankfurter Flughafens: "Die haben den Begriff der baubegleitenden Planung damals erfunden", erklärte er lachend. "Man muss eben nur das richtige Wort finden", ergänzte Ulrich Fricke. Auf einen guten Ratschlag konnten sie sich jedenfalls einigen: "Der Bauherr erhält Baustellenverbot."
Letzte Frage: Was zeichnet denn nun einen Einkäufer genau aus? "Ihr Markenzeichen ist, dass sie gute Zuhörer sind", fand Hans A. Strasdowski. "Einkäufer sind nicht die kommunikativsten Menschen, im Gegensatz zu den Marketing-Experten", antwortete Ulrich Fricke. Grundsätzlich mag er Recht haben, aber für das Treffen im Kurhaus galt das auf keinen Fall.
Verfasser: David Schahinian