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26.02.2021

BME rmr-Onlineseminar: Homeoffice – Wie verändert sich der Einkauf? Mittendrin im „neuen Normal“

Bme Rmr Homeoffice03

Im März 2020 musste es schnell gehen: Viele Einkäufer fanden sich unversehens im Homeoffice wieder – mit der vagen Hoffnung, dass in ein, zwei Monaten alles vorbei ist. Knapp ein Jahr später, im Januar 2021, arbeiteten einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge immer noch 24 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland ausschließlich oder überwiegend von zu Hause. Das hat enorme Auswirkungen auf den Arbeitsalltag. Zwei hochkarätige Referenten berichteten in einem Onlineseminar des BME rmr nicht nur davon. Sie skizzierten vor allem auch, wie die Arbeitswelt von morgen aussieht, die heute schon begonnen hat. Ein Thema mit Perspektive, denn eines wird immer deutlicher: Ganz genau so wie vor der Pandemie, so wird es nie mehr werden.

Bei der Deutschen Bahn wurde schon vor drei Jahren eine Betriebsvereinbarung zum Homeoffice geschlossen. „Insofern gab es bei uns zu Beginn der Coronakrise keinen Strömungsabriss“, berichtete Ralf Lüthi, Leiter Allgemeine Bedarfe und Leistungen. Als vorausschauend habe sich erwiesen, sehr frühzeitig alle Beschäftigten mit Laptops und Smartphones auszustatten. Dennoch habe es eine Weile gedauert, bis Leistung nicht mehr unmittelbar mit Präsenz im Betrieb gleichgestellt wurde – eine Transformation ist eben immer auch und vor allem eine unternehmenskulturelle Angelegenheit.

Umso interessanter waren die Ergebnisse einer Befragung der Mitarbeitenden. Es zeigte sich unter anderem, dass in den Videokonferenzen „Lautsprecher“ eher noch lauter kommunizierten, während Stille noch stiller wurden. Zwischen den Meetings keine Pause einzulegen, erwies sich als kontraproduktiv. Und dass die Flurgespräche in der Kaffeeküche fehlen, dürften nicht nur Einkäufer so empfinden.

Wandel im Zeitraffer

In mehreren Workshops wurden Lehren daraus gezogen. Klar war, dass neue Kommunikationsformen und intensivere Führung weiter an Stellenwert gewinnen werden. Zu den zahlreichen neu eingeführten Maßnahmen zählte die teilweise Abkehr von langfristigen Zielvereinbarungen hin zu kurzfristigeren Leistungsbeiträgen, die quartalsweise gemessen werden. Sie sind Teil des konzernweit genutzten Tools „Mein Performance Management“. Weitere Neuerungen waren virtuelle Kaffeepausen, eine obligatorische Fünf-Minuten-Pause zwischen Meetings und tägliche, institutionalisierte Gespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden.

Ganz praktisch ist das „neue Normal“ auch in den Baseler Arkaden in Frankfurt zu sehen: Hier hat die Deutsche Bahn alle Einkäufer des Standortes zusammengezogen. „Sie kamen aus einer Struktur mit Zellenbüros“, so Lüthi. Das ist jetzt anders: Es wird Desk-Sharing betrieben, Arbeits-Schreibtische können bei Bedarf per Knopfdruck gebucht werden. Hinzu kommen 22 Besprechungsräume, neun Arbeitsplätze in einem beruhigten Bereich für längere Gespräche oder Videokonferenzen sowie ein eigener Bereich für Besprechungen mit Lieferanten. Zusammen mit den unterschiedlichen Präferenzen beim Homeoffice wurde deutlich: Das Arbeiten der Zukunft ist individueller auf die Bedürfnisse der Belegschaft zugeschnitten. Es braucht allerdings auch einige Regeln, um sicherstellen, dass der Teamgedanke erhalten bleibt und persönliche Anwesenheit gewährleistet ist, wenn sie nötig ist.

Besondere Zeiten, besondere Maßnahmen

Sehr persönlich schilderte Einkäufer Markus Zöllner von Union Investment den Moment im März 2020, als die Anweisung kam, vom nächsten Tag an im Homeoffice zu arbeiten: „Ich empfand eine Weltuntergangsstimmung – für mich ein surreales, nicht greifbares Gefühl.“ Eine Umstellung, die zunächst ganz praktisch gemeistert werden wollte: Statt der Radfahrt zum Arbeitsort wurde vorher und nachher Sport getrieben, statt des Bügelbretts wurde ein hölzerner Tischaufsatz angeschafft, um auch im Stehen arbeiten zu können. Im Mittelpunkt stand jedoch die Neuorganisation der Arbeit: Als On-Premise-Einkäufer spielten Rhetorik, Mimik und Blicke in Verhandlungen für ihn bisher immer eine große Rolle. Nun saß er zu Hause vor Monitoren.

Die erste schwierige und komplexe Verhandlung – per Telefon – ließ nicht lange auf sich warten. „Wir haben im Vorfeld eine Strategie festgelegt und die Termine intensiv vor- und nachbereitet.“ Während der Gespräche lief ein interner Team-Chat. Das ermöglichte ein geräuschloses Abstimmen, erforderte aber auch hohe Konzentration, um nicht zu sehr von den Verhandlungen abgelenkt zu werden. „Mir hat sehr geholfen, auf meine Intuition zu hören – sich auf die Äußerungen zu konzentrieren und mir zu überlegen, wie ich on premise reagieren würde“, so Markus Zöllner. Sofern möglich, werden Verhandlungen aber per Video geführt: „Ich schalte meine Kamera immer ein, um zu zeigen: Ich bin hochkonzentriert bei der Sache und habe keine Scheu, mich zu zeigen.“

Corona stellt nicht alles auf den Kopf

Wie er sich das „neue Normal“ vorstellt? Auf jeden Fall behält das Homeoffice darin seinen Platz: „Zwei Tage pro Woche würde ich mir wünschen.“ Vorausgesetzt natürlich, die Arbeit erlaubt es und es stehen keine direkten persönlichen Verhandlungen an. Gefragt ist Flexibilität. Vieles habe sich durch Corona aber auch nicht geändert. In der Tat geht das in manchen Diskussionen unter. „Verhandlungsführung ist für mich kein Kindergeburtstag. Klare Vorstellungen, eine solide Vorbereitung, ein exakter Plan – das war vorher wichtig und ist es heute noch genauso.“

Die spannenden Schilderungen von Ralf Lüthi und Markus Zöllner, moderiert von BME rmr-Vorstandsmitglied Helma Göbel, stießen auf großes Interesse: Die rund 30 Teilnehmer blieben allesamt durchweg eingewählt. Ähnliches wäre am Dienstag, 23. März, wünschenswert: Dann spricht Thomas Vogel über das Lieferantenmanagement im Mittelstand. Ob – wie geplant – eine Präsenzveranstaltung möglich ist, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Weitere Informationen werden in Kürze auf der Website des BME rmr bekanntgegeben.

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David Schahinian

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