BME rmr und Hanau sowie DFK Rhein Main: Entscheidungen treffen mit Lutz Michael Fröhlich - Wissen, was war – und offen bleiben für das, was kommt
Fröhlich kennt sowohl die freie Wirtschaft als auch das Sportwesen sehr gut: Vor beziehungsweise neben seiner Schiedsrichter-Laufbahn absolvierte er eine Banklehre und ein Studium der Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation. Anschließend war er unter anderem im Personalwesen tätig. Kein Wunder also, dass er die verbale und nonverbale Kommunikation als einen der wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Spielleitung nannte. Damit war er bereits mittendrin in seinem Thema „Entscheidungen vorbereiten, Entscheidungen treffen, Entscheidungen nachbereiten“.
Die Entscheidungsqualität – und das gilt für Schiris wie Führungskräfte gleichermaßen – hängt stark mit der Fähigkeit des Selbstmanagements zusammen, berichtete Fröhlich. Sich Zeit nehmen, fokussieren, Informationen sammeln, das zählt ebenso dazu wie handwerkliche Professionalität und die Orientierung in einem bisweilen ungewissen Umfeld. „Ein Spiel lässt sich nie durchplanen, jedes hat sein eigenes Anforderungsprofil.“ Es war für viele erstaunlich, wie umfangreich die Vorbereitungen bei den rund 130 Topkräften der Schiri GmbH sind. Sie wissen im Idealfall über vieles Bescheid: die gespielten Systeme, die Spieler, die Trainer und Funktionäre sowie etwaige Probleme bei bestimmten Spielpaarungen in der Vergangenheit. Hinzu kommt die eigene körperliche und mentale Vorbereitung inklusive Trainingsplänen und die Kontrolle der eigenen Emotionen, um nur einige Aspekte zu nennen.
Fokus auf das Jetzt und Hier
Dennoch gelte es, den Fokus immer auf das Ziel und die aktuellen Aufgaben zu lenken, betonte Fröhlich. Man könne zwar mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, doch dürfe man sich davon nicht zu sehr leiten lassen. „Neue Informationen werden häufig so interpretiert, dass die bestehenden Annahmen bestätigt werden. Man muss aber offen bleiben für das Unerwartete.“ Denn auch ein Spieler beispielsweise, der bekannt dafür sei, im Strafraum oft und schnell zu fallen, könne dort tatsächlich gefoult worden sein. Er selbst hat das in seiner aktiven Laufbahn übrigens vorbildlich beherzigt – und erhielt dafür 2005 den Fairplay-Preis des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Was war passiert? Der Schiri hatte Michael Ballack nach einem vermeintlichen Foul die Gelb-Rote Karte gezeigt. Sein Assistent machte ihn auf den Fehler aufmerksam, woraufhin er den Platzverweis zurücknahm und sich bei Ballack per Handschlag entschuldigte.
Immer wieder streute Fröhlich in seinen Vortrag kleine Filme von aktuellen Spielszenen ein und verknüpfte so die Theorie mit praktischen Anwendungsbeispielen. So schaffte er viel Verständnis für das Schiri-Wesen und die Leistungen, die die Unparteiischen Woche für Woche zeigen – oftmals übrigens als Freiberufler, selbstständige Unternehmer oder Angestellte, die sich für die Vorbereitung und die Spiele freistellen lassen.
Menschsein nicht vergessen
Sein Fazit geriet besonders eindrucksvoll, geht der Inhalt doch in der großen Aufmerksamkeit und Hektik, die den Spitzenfußball heutzutage charakterisiert, leider zu häufig verloren. „Keine Fachlichkeit kann eine grundsätzlich positive Einstellung zu Menschen ersetzen“, sagte Fröhlich. Und die, fügte er an, drücke sich in Sprache und Verhalten aus. Am Ende sind eben auch Schiris nur Menschen – die damit umgehen müssen, dass man in der Regel allein dann über sie spricht, wenn sie vermeintliche oder tatsächliche Fehlentscheidungen getroffen haben.
Eingebettet war der Vortrag in kurze Begrüßungsreden von Lothar Kunkel, Ehrenvorsitzender des BME rmr, und Dr. Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin des BME-Bundesverbands, sowie ein Get Together im Anschluss. Fröhlich nahm sich auch hier noch viel Zeit, um Fragen zu beantworten. Das wurde ausgiebig in Anspruch genommen: Wann hat man schon einmal die Chance, mit dem Schiri-Chef persönlich über die Entwicklungen im deutschen Fußball zu sprechen?
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David Schahinian