BME rmr-Veranstaltung Preis- und Kostenanalyse: Wissen ist Macht
„Wenn nicht jetzt, wann dann?" Die Frage von Thomas Vogel, Geschäftsführer von CaDirect, war rhetorisch gemeint. Sicher: Die Ausgaben im Griff zu behalten zählt zu den Kernaufgaben eines jeden Einkäufers. Trotzdem liegt in einer fundierten Preis- und Kostenanalyse noch jede Menge Potenzial. Sie gilt es angesichts erster Eintrübungen in der deutschen Wirtschaft zu heben. Der Kostendruck wird weiter zunehmen, die Risiken auf dem Weltmarkt steigen. Wenn nicht jetzt, wann dann wäre es also an der Zeit, sich darauf vorzubereiten? In einem Vortrag in den Räumen des Landessportbundes Hessen stellte Thomas Vogel Werkzeuge vor, mit denen sich der Einkauf zukunftssicherer aufstellen kann.
So verlockend sich das anhört: Es nützt nichts, den Werkzeugkoffer aufzumachen und loszulegen, ohne zu wissen, welche Ziele man erreichen will. „Vor der Anwendung steht die strategische Arbeit", erklärte der Referent, der über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Einkauf verfügt. Sein Unternehmen CaDirect ist professioneller Dienstleister für elektronische Beschaffungsprozesse. Die Vorbereitung erfordert Zeit und lässt sich nicht nebenher erledigen. Aber sie zahlt sich aus.
Als ein Beispiel nannte er die Beobachtung von Rohstoff-Indizes, die für die Beschaffung des eigenen Unternehmens besonders relevant sind. Wer hier über aktuelle Zahlen informiert ist, fällt nicht mehr so leicht auf das pauschale Argument des Lieferanten herein, dass „alles teurer geworden" ist. Die Kostenstrukturen haben sich fundamental verändert, der Materialanteil in nahezu allen Branchen ist signifikant gestiegen. Die Personalkosten auch? Mag sein, aber wenn sie nur einen Bruchteil der Kosten des Lieferanten ausmachen, spielt das kaum eine Rolle.
Grundlage für eine erste Kostenanalyse stellen daher aussagekräftige Informationen über die Lieferanten dar. Mögliche Quellen sind hier die Selbstauskunft, Daten aus der Lieferantenbewertung, der Standort und politische Einflüsse, Bonitätsinformationen sowie seine Gewinn- und Verlustrechnung. „Zumindest bei den Hauptlieferanten ist es zwingend erforderlich, einmal vor Ort gewesen zu sein, um die Produktionsstrukturen kennenzulernen", so Thomas Vogel weiter.
Der wahre Wert der Dinge
Nach der grundlegenden Einführung stellte er vier Methoden der Kostenanalyse in den Mittelpunkt des Abends: die Preisstruktur-, die Wert-, die Regressions- und die Cost-Breakdown-Analyse. Sie setzen jeweils eine andere Vorgehensweise voraus und eignen sich im Einzelnen jeweils für bestimmte Warengruppen, Materialien oder Dienstleistungen. Besonders plastisch verdeutlichte Thomas Vogel das anhand der Wertanalyse. Sie beschäftigt sich mit den Funktionen eines Produkts und soll unter anderem Aufschluss darüber geben, welche davon gewünscht oder notwendig sind und welchen Preis ein Kunde bereit ist, für diese Wirkung zu zahlen. Sie ist hilfreich, wenn es bereits ein Produkt gibt, das aber beispielsweise als zu teuer empfunden wird.
Der Referent ging zur Flipchart im Raum, zog eine Stange aus der Rückseite und stellte die Frage nach dessen Sinn und Zweck. Die Ratlosigkeit war groß – was zu beweisen war: Es handelte sich um eine Halterung für ein zusätzliches zweites Blatt Papier. Sie kostet Geld, das man sich sparen kann, wenn der Kunde die Funktion weder kennt noch vermisst. „Der Ansatz ist vor allem bei komplexen Produkten extrem spannend", so Thomas Vogel weiter. In der Praxis scheitere er jedoch oftmals an jenen Menschen im Unternehmen, die dagegenhalten: „Das haben wir schon immer so gemacht." Der Einkaufsexperte hatte einen weiteren Tipp parat: In der Regel ist auch dem Lieferanten daran gelegen, sein Portfolio zu optimieren und möglichst günstig herzustellen. Eine gemeinschaftliche Wertanalyse koste zwar Zeit und Geld, aber der Nutzen sei dafür umso höher.
Strategischer Einkauf muss gestärkt werden
Beim Thema der praktischen Umsetzung des Gesagten entwickelte sich eine interessante Diskussion mit den rund 30 Zuhörern. Sie erkannten den Nutzwert der Ausführungen, wiesen jedoch auf limitierende Faktoren in den Unternehmen hin. „Im Haus stoße ich mit solchen Ansätzen auf taube Ohren", meinte einer. Thomas Vogel antwortete, dass es für den strategischen Einkauf meist einen externen Moderator brauche. Auch, weil der operative Zeitanteil im Einkauf meist zu groß sei und wenig Raum für solche Arbeit lasse, oder weil die Abteilung an sich (noch) nicht strategisch ausgerichtet ist.
Oftmals habe das Management den Mehrwert des Einkaufs immer noch nicht erkannt, warf eine andere Teilnehmerin ein. Wenn automatisiert werde, werde die gewonnene Zeit nicht in strategische Maßnahmen investiert, sondern es werde „gnadenlos wegrationalisiert". Selbst strategische Einkäufer seien häufig operativ tätig, hieß es weiter. Es scheint so, als ob diesbezüglich noch viel Überzeugungsarbeit in den Unternehmen geleistet werden muss.
Überzeugend jedenfalls war der inhaltsreiche und nutzwertige Vortrag von Thomas Vogel, der auch Seminare zum sicheren Verhandeln beim Bundesverband BME leitet. Beim anschließenden Networking, für das der Vortrag viel Gesprächsstoff bot, beantwortete er bereitwillig weitere Fragen.
Eine weitere spannende Möglichkeit zur beruflichen Weiterentwicklung bietet der BME rmr bereits am Dienstag, 10. September. Von 18 Uhr an wird Romy Kranich-Stein im Haus am Dom ein Kommunikationstraining für Einkäufer mit Tools aus der systemischen Gesprächsführung leiten. Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere Informationen und eine Möglichkeit zur Anmeldung sind hier abrufbar.David Schahinian